Drama Slam


1.) Eine Idee und nicht mehr



Rainer: Weißt du, das ist eigentlich schon komisch, dass ich so oft bei dir war, keine Ahnung wie oft, sicher 20, 30 mal, immer wenn du ein Vorglühen veranstaltet hast oder so, wie oft war ich denn da, naja, jedenfalls, sooft ich auch da war, ich war nie auf deiner Toilette. Eben zum ersten mal, das ist schon komisch oder? Der Raum war für mich richtig fremd. Ich dachte, ich müsste den Raum kennen, aber ich kannte ihn nicht. Komisch, oder?

sissi: ach du, du weißt schon, dass du öfter in diesem raum warst, als du eigentlich weißt, nur erinnerst du nicht daran. so, als ob- du kennst das doch, du hast einen film gesehen, als du ein kind warst und dann denkst du, du hast ein deja vu, aber nein, das sind bloß deine erinerrungen, weil du ja da warst, es ja wirklich gesehen hast- und dann meinst du, du warst nie da. aber den film hast du gesehen. vor jahren. und dann siehst du ihn wieder und denkst dir- fuck- ernsthaft?

Rainer: Komisch, ich habe eine SMS bekommen, von einer Person mit einem Namen und habe mich darüber gefreut, die SMS war so nett, und eigentlich war die SMS von einem anderen Menschen mit dem gleichen Namen. Meinst du das? Das ist doch soetwas oder? Aber, Sissi, du kennst mich, ich mag meinen Kaffee heiß, meine Taxifahrer stumm und meine Klos, die mag ich halt, hm, bekannt. Du hast eine Badewanne? Du hast wirklich eine Badewanne...

tim: ja, genau das, ich kenn das! immerhin liegen diesmal keine benutzten kondome herum, wie beim letzten mal, weißt du noch? sie war so angeekelt, wie beim letzten mal! als sie da war, da lagen benutzte kondome rum!

sissi: jaaa, ich benutze kondome, und ja mein gott, hab ichs halt nicht so mit hygiene. immerhin hab ich eine badewanne ja.

Rainer: Badest du auch in der? Ich habe keine, aber ich liebe es zu Baden. Duschen hasse ich. Kennst du auch das mit dem Schimmel? Mein Brot zum Beispiel, das schimmelt immer. Zum Glück kann ich nicht schimmeln.

Tim: Ich weiß nicht, leben und schimmeln, ich sehe da schon Parallellen.

Sissi: Ja, du bist ein Pathet.

Rainer: Du doch auch, Sissi.

Sissi: ja und! was bleibt uns anders als pahtos, in dieser schimmligen welt!

Rainer: ach nein, kinder, jetzt wirds mir aber zu blöd. hört doch mal auf mit eurem seelenleid, kennt doch schon jeder, hat jeder schon gesehen und gehört-

Tim: und trotzdem gefällts dir. trotzdem machst du dabei mit.

Sissi: So war der ja schon immer, der Rainer. Glaubst warum habe ich mit dem Schluss gemacht, Tim? Mit dem Rainer. Der hat meinen Pathos einfach nie verstanden. Aber der Sex mit dir war gut. Das können wir mal wiederholen, oder? Ich meine, du bist jetzt kein Brad Pitt, aber ich steh halt auf so... (macht Handbewegungen um Rainers körper nachzuahmen)... Typen, so... wie du halt. So Männer. Nicht so wie du Tim, so Schwachos. Ich mags hart. 50 Shades of Grey und so. Da hab ich gar keine Angst davor. Aber vor Schimmel hab ich Angst, Rainer, diese Angst kann ich wirklich gut nachvollziehen. Manchmal bin ich ja so viel unterwegs, da komm ich drei Tage nicht heim, und dann, wenn ich heimkomm, schimmelt der Käse im Kühlschrank. Scheiße.

Rainer: Was heißt da  Schwachos? Schwabbi ist auch Masse! Du hast dich nie beschwert! Und echt mal, du mit deinem Hüftgold brauchst nicht reden!

Tim: Nein, also, Scheiße im Kühlschrank ist mir noch nie passiert. Neben dem Klo, okay, aber im Kühlschrank? Ihr seid schon ein bisschen abgedreht!

Rainer: Ja, mag sein, aber weißt du, darum gehts ja. In der Badewanne ersaufen, weil man zu lange gewartet hat. Bis der Schimmel von alleine verschwindet. Der in der ewig selben Brühe aber nur mehr wird. Bei einem Schneesturm mit dem Moped fahren und dabei erfrieren, weil man es nicht mehr aushält, nicht mehr warten kann, sondern unbedingt zu diesem Menschen muss- und dabei erfriert. --- In Wahrheit ist es ja so, dass ich gar nicht leben will. Ich hab mir das ja gar nicht ausgesucht. Lieben ist auch Schimmel, ja, lieben ist Schimmel. Ich wollte mich letztens unter der Dusche ersaufen, aber das ging nicht, dazu braucht man eine Badewanne. Ein Mensch kann nicht Sterben, indem er einfach die Luft anhält, das geht nicht. Ja. Was solls. Ich will halt nicht leben. da muss man gar keine große Sache draus machen. Das ist doch mir scheißegal. Mir machts halt keinen Spaß mehr. Ihr kennt das ja, wenn man ein Theaterstück schaut oder so, und dann denkt man sich, ja, okay, war, nett aber jetzt geh ich nach Hause. Und ich will jetzt echt gerne nach Hause gehen. Was halt auch das Zuhause dann ist. Ich mag nimmer, ich mag nimmer. Das musste ich mir gleich bei der Badewanne denken. Als ich die gesehen habe, habe ich nur Tod gesehen und Schimmel. Aber gar nicht echten Schimmel, da war kein Schimmel, das ist mehr eine Metapher. Die Badewanne heißt Tod und Tod heißt Leben und Leben heißt Schimmel. Wir schimmeln. Ich schimmle, du schimmelst, er sie es schimmelt. In Ewigkeit. Schimmel. So schauts aus. Was sagt ihr dazu? Nix. War ja klar. Sissi? Du kannst wenigstens was sagen. Na? Na?? Tim!? Auch nix. Eh klar. Ich geh Bier holen, wir haben keins mehr. Haben die Heiligabend offen? Ich schau mal. Bis später. Frohe Weihnacht.

Rainer geht ab.

Sissi: Weißt du jetzt was das Problem war? Er ist mir einfach zu dramatisch gewesen. Immer dieses Schwarz und Weiß, das wird nach einer Zeit ziemlich langweilig. Ich will all die Fabren dazwischen.  Nicht nur, dass er keine Muskeln hatte, das war mir ja egal, sonst wärst du ja auch uninteressant gewesen, Tim. Aber nach einer Zeit kann man Sachen nur noch akzeptieren-

Tim: Klar, so wie Schimmel.

Barbara: Jo, wissts, wos ma grod passiert is? Do bin I  dem Rainer über den Weg glaufen, und wissts, woss a gsogt hot? Er wü aussa, ind wöd, um sie söbst zfinden. Und ihr, ihr trinkst hier eier Bier, ohne mir was zum song.  Jo mei, ihr sads ja no jung. Da Rainer jo a.

Tim und Sissi kennen sich nicht aus und ignorieren Barbara.

Sissi: Was soll ich sagen, ich finde Sex einfach schön. Das ist doch normal, dass ich Sex schön finde, oder? Ich schlafe gerne mit Männern, mit guten Penissen, was ist eigentlich die Mehrzahl von Penis? Penis? Penisse? Ich weiß nicht. Weißt du warum? Weißt du, warum ich gerne mit Männern schlafe?

Barbara: Warum?

Sissi: Weil ich mich da spüre. Ich bin so betäubt vom Leben, jaja Pathos und Weltschmerz und Facebook-Generation, aber ich spüre mich beim ficken, wenn da ein Penis in mir steckt, da spüre ich mein Selbst, wer ich bin und wie ich bin und wies mir geht und ein Orgasmus ist für mich ein “Wie geht es dir, Sissi” - “Gut, und dir?” an mich selbst. Das ist schön. Ich mag Sex. Jesus hatte auch Sex. Das vergisst man manchmal. Jesus war auch kacken. Nur so nebenbei.

Barbara: Jo Mädl, wos redsnt du do, wennst echt an Schwängl in dir brauchst, um an Orgasmus zum hom, bist scho oam.

Tim: Ja, ne ich weiß schon was du meinst, ich habe auch gerne einen Penis in mir, oder Penisse. Oder zumindest Orgasmen.

Sissi: Rainer war auch immer so betäubt vom Leben. Aber mehr von seinem eigenen, als vom Leben an sich. Deswegen hat er mich nicht mehr interessiert. Ich hab genug eigene Probleme.

Barbara: Aber Kinder, ihr könnts eich jo trotzdem ned über so an Pimmel definieren! An oder in eich- des is do wurscht!

Tim: Also dazu fällt mir jetzt auch nix mehr ein.

Rainer (mit einer Steige Bier): So, bitte, da bin ich wieder. Her I am, once again. Oder so. Das ist wie mit Drogen, kommen auch immer wieder.

Sissi: Das nächste! Er hat zu viel gekifft. Also ich kann das schon verstehen, sich durch Drogen wo anders hinbringen zu wollen, sei es ein Zustand oder ein Ort deines Bewustseins. Aber das spielt sich ja alles in dir drinnen ab. Deine Realität ist die allgemeingültige Realität aller anderen, weil man sich auf diese eine Lüge geeinigt hat. Aber eigentlich ist Realität ja bloß eine Halluzination. Jeder hat da seine eigene Vorstellung und das ist ja das Problem: Jeder nimmt die Welt anders wahr. Und trotzdem reden wir von DER Welt, und DER Realität. Aber es ist doch so, ein Fisch sieht die Welt anders als ein Hund, der anders als eine Fliege, die anders als ein Elefant, der anders als eine Milbe. Und wenn da noch Drogen dazu kommen, die die Wahrnehmung ja erheblich beeinflussen, frag ich mich schon, warum die Welt nicht explodiert.

Rainer: Ja, aber das ist ja das Ding: Die Welt ist so verrückt, da brauchen Leute sowas wie Drogen, um zu halluzinieren oder sich zumindest für einen Moment aus diesem, ihrem Leben zu flüchten.

Sissi: Ich brauch dafür bloß Sex. Um dem Schimmel, der das Leben zerfrisst, zu entkommen.

Tim: Nein, nein meine Liebe. Du hast Sex, um dich für eine Stunde von dir selbst zu erlösen. Um für eine Stunde nicht du sein zu müssen. Deswegen fickst du alles was dir zwischen die Beine kommt, und sag jetzt nichts von Selbstbestimmung der Frau, das ist wie mit der Frauenquote, die ist doch auch fürn Arsch. Bloß eine Ausrede, damit sich nichts grundlegend verändern muss. Und das ist doch auch für Frauen erniedrigend: Sich seine Unabhängigkeit durch Rumhuren zu beweisen, und die Emanzipation durch Frauenquoten. Aber einer schlechter qualifizierten Frau in einem Spitzenjob, muss das ja auch unangenehm sein, oder?

Barbara: Jo mei, de jungen Leit. Ihr sats scho was. Aber wissts, eich gehts z’guat. Ihr hättets hoid amoi an Kriag erleben soin. Ihr hättets a Lond wieder aufbaun miassn. Oba lustig sats, hehehe. I deng ma hoid, ihr redets ummadum, um Sochen, de san eh so logisch, oda ned?

Sissi: Nein! Dieses diskriminierende Arschloch da, das hat Probleme! Ja, vielleicht will ich manchmal jemand anderer sein, aber wenn dadurch Menschen Orgasmen haben, kann dich das ja wohl kaum stören, also verurteile mich nicht für Sachen, die du genauso tust!

Rainer: Ex-Weib, reg dich ab. Es ist Weihnachten.

Sissi: Nenn mich nicht Ex-Weib! Ihr Männer denkt, ihr wisst alles, ihr geht davon aus, dass ihr Götter seid, weil euch so bescheuerte, dumme Frauchen, eure Mütter, erzogen haben. Und euch geliebt, vergöttert haben. Wie soll da je eine andere Frau rankommen. Aber natürlich stellt ihr diesen Anspruch jeder Frau, die euch auch nur irgendwie ein bisschen zu nahe kommt, damit sie scheiten muss, und ihr weiter das unverstandene Arschloch sein könnt.
Und du Rainer, du musst gar nicht reden: Wir haben so oft Schluss gemacht, und nie wolltest du mich gehen lassen.

Rainer: Aber dir war es ja absolut egal, ob ich nur noch mit dir spiele. Du wusstest immer, worauf du dich einlässt.

Sissi: Ich wollte es aber nicht wahrhaben.
Tim: Daher die einzige Lösung: Sex als Selbsterlösung und Verleugnung der Realität. Ein Orgasmus wirkt ja auch wie ein Drogenrausch, nur sehr viel kürzer und daher intensiver.

Sissi: Wie oft hast du gesagt, als ich gehen wollte: Mach die Augen zu und küss mich. Lass uns den Moment des Abschieds noch verzögern.  Dann sagtest du, dass du mich ja so gern lieben würdest, und es irgendwie auch tust. Und ich dachte mir bloß: Mach mir ruhig etwas vor...
Aber wie sollen sich auch zwei Ertrinkende in den Fluten aneinander klammern und dadurch retten...


Tim: Und trotzdem suchst du die Nähe, genau dieser Arschlöcher.

Sissi: Ja, aber.... Nur weil sie so, als Freunde ganz nett sind. Nicht um wirklich zu Hause zu sein. Verstehst du? Rainer, du zum Beispiel: Du redest vom Schimmel in deiner Badewanne, als Metapher für all deine Probleme die du mit deinem Leben hast, denn wirkliche Probleme hast du nicht. Du hast dich dafür entschieden, zu leiden. Du hast einfach so nen Schiss davor, glücklich zu sein. Das würdest du nicht ertragen, weil du viel zu sensibel für diese Welt bist. Und eben deswegen mag ich dich und Männer wie dich.
Auch wennn ihr Frauen wie mich nicht ernst nehmt, aus Angst, ertappt zu werden. Oder durchschaut. Aber genau das mache ich die ganze Zeit. Wir sind uns viel zu ähnlich. Was kein Problem wäre, hätte ich weder Vagina noch Brüste.

Tim und Rainer schauen sich an

Tim: So, und was willst du jetzt?

Rainer: Doch... doch ja, irgendwie... könnte ich ihr recht geben, wenn ich betrunken wäre...

Barbara: Wö ihr a Haufen pathetischer, verwöhnter Jungspunde sats! Die besoffen üba des Lebn und eia Söbst reflexieren, jo? Owa oi de Erkenntnisse, die ihr noch ana, oda song ma zwa Floschen Rotwein hobts, de san am nächstn Moang weg, so wie da Rausch, denns erst amoi aus schlofa miassts.

Rainer: Ähm Barbara... Sag mal, warum redest du eigentlich in so einem komischen Dialekt?

Tim: Gut, wir haben es verstanden, du kannst im Dialekt reden, aber bitte hör jetzt wieder damit auf, so zu tun als wärst du eine alte Trümmerfrau. Und vor allem, hör auf in dem Dialekt zu reden. Du kannst es, haben wir jetzt kapiert.

Barbara: Gut, schön das wir das geklärt haben. Himmel ist das angenehm wieder normal zu reden. Ihr wisst ja gar nicht, wie oft ich schon darauf angesprochen wurde, ob ich aus Deutschland komme. Nur weil ich Hochdeutsch rede, das ist in Wien gar nicht so beliebt. Dann sag ich immer: Ja, nee, weißte ich komm aus Nürnberg, da wo die Lebkuchen herkommen und so, nee? Oder dass ich mit 17 aus Berlin weggelaufen bin, um hier Schauspielerin zu werden.
Aber was ich eigentlich sagen wollte: Unsere Generation hat keinen Namen. Und ich finde das gar nicht so schlimm. Generation X, das ist so 90er. No Future, das war mal. Aber genau da liegt das Problem, wir haben alle Möglichkeiten, die ganze Welt steht uns offen, und eben diese Freiheit lähmt uns. Schon irgendwie ironisch, oder?

Tim: Wir trinken Bier um ungestüme, spontane Romantiker zu sein. Kaffee der Reflexion wegen, um Inne zu halten und im nächsten Moment auf zu brechen. Und Rotwein, wenn wir Lust dazu haben, in der Vergangenheit schwelgende Melancholiker zu sein.

Sissi: So. und was sagt uns das jetzt?

Rainer: Ich habe keine Ahnung, war wohl wieder nur ein ach so tiefsinniges Gespräch unter ach so guten Freunden. Aber auf deinem Klo steht: Toilette außer Betrieb. Und sie funktioniert trotzdem. Ist auch irgndwie eine Metapher fürs Leben.

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